Freitag, 6. Mai 2011

16 Jahre alt - Der Rollstuhl

„Aya“ sagte Okaasan, „wir werden dir ein Gefährt kaufen“!
„Was!?“
Sie begann es mir langsam zu erklären. „Der Flur hat Geländer, aber es ist vermutlich gefährlich wenn du ihn überschreiten willst. Aus einer stehenden Position heraus musst du dich erst hinsetzen und dann herüber krabbeln und wieder aufstehen. Das wird dir vielleicht etwas Angst machen wenn du in Eile bist. Und du fällst oft hin wenn du deine Position änderst. Du wirst nicht mehr nach draußen gehen können, selbst wenn du es möchtest. Aber es wäre anders, wenn du einen elektrischen Rollstuhl hättest. Du könntest ihn ganz einfach bedienen egal wie kraftlos deine Arme sind und du hättest keine Probleme bei Abhängen. Er fährt mit einer Geschwindigkeit von 5 Kilometern pro Stunde – dieselbe Geschwindigkeit wie beim gehen.
So wäre es keine Gefahr mehr und es wäre einfach zu bedienen. Ich denke es wäre perfekt für dich.
Aber das heißt nicht dass du faul werden sollst, weißt du? Es ist nicht gut von einem Rollstuhl abhängig zu werden.
Du wirst dich anstrengen um deine eigenen Bemühungen ebenfalls zu steigern. Das darfst du nicht vernachlässigen. Hast du richtig trainiert?“

Ich war so erfreut bei dem Gedanken dass ich unbehindert nach draußen gehen könnte. Meine Welt schien plötzlich weiter zu werden. Ich wollte immer nach meinem eigenen Ermessen handeln. Bisher musste ich in der Bücherei immer jemand eine Notiz mit dem Titel des Buches zeigen und ihn darum bitten es für mich heraus zu suchen. Ganz normal ein Buch mit meinen eigenen Händen nehmen!
Es ist wie ein Traum.
Großartig!
Ich werde die Handhabung des Rollstuhls lernen und darin nach draußen gehen noch bevor ich die Behindertenschule besuche.

Zwei Männer eines Lieferservices brachten meinen Rollstuhl. Ich sah zu wie sie ihn zusammenbauten. Die Räder werden von einem Motor bewegt. Er besitzt 2 nebeneinandersitzende Batterien die unter dem Sitz montiert sind.
„Aya, teste ihn aus. Alles was du tun musst, ist den Hebel zu halten und ihn in die Richtung zu drücken, in die du dich bewegen möchtest.“
Ich versuchte mich in den Rollstuhl zu setzen. Ich bewegte den Hebel sanft nach vorne und der Rollstuhl bewegte sich langsam vorwärts. Er macht nur ein leises Geräusch wenn er sich bewegt und wendet. Ich übte sehr hart, aber nach einer Weile begannen meine Tränen zu fließen – das ist meine Natur und ich hasse es!

„Was ist los?“ fragte Okaasan.
„Ich bin nur so glücklich, denn nach so einer langen Zeit kann ich mich wieder frei bewegen!“ antwortete ich.
Aber ich konnte meine komplizierten Gefühle nicht besonders gut ausdrücken.
Ich bin fest entschlossen so lange zu üben bis ich zur Bücherei fahren kann. Als ich aus dem Fenster blickte, regnete es.

Ich übte sehr hart, wischte den Küchenfußboden und säuberte die Toilette. Ich wollte meine Energie in etwas stecken. Mein Lernen geht nur langsam voran. (Ich lächle schadenfroh al sich merkte dass ich immer noch die Kraft hatte zu lernen.)
Rika nennt meinen Rollstuhl ‚Der Stuhl‘ und Otou-san nennt ihn ‚Das Auto‘. Und so heißt er im Japanischen – kurumaisu – ‚ein Stuhlauto‘!

Ich erinnere mich immer noch an etwas, das in meinem ersten High School Jahr passierte. Rika wollte mit einigen Rollstühlen spielen, die in einem Flur im Krankenhaus aufgereiht standen. Okaasan sagte zu ihr, „Du solltest nicht mit Rollstühlen spielen. Es ist eine Beleidigung für all die, die sich nur mit solch einem fortbewegen können.“

Ich las etwas über die Gefangenen des deutschen Konzentrationslagers in Auschwitz im Buch Man’s Search for Meaning. Das Buch ist ein Bericht über ihre Erfahrungen. Irgendwie fühle ich als eine behinderte Person Sympathie für sie.
Meine Erfahrung scheinen ihren in ihren im Bereich des Erstarrens.

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