Dienstag, 31. Mai 2011

17 Jahre alt - Der Schulausflug

Ich dachte, es würde sehr schwer für mich werden auf einen Schulausflug zu gehen. Aber es scheint so dass ich letztendlich doch gehen kann. Okaasan wird mit mir kommen und Otou-san wird auf das Haus aufpassen.

Eine Aufnahme Meiner Eindrücke
Die Tauben und ich: Hiroshima Friedensdenkmal Park

Po-po-po“ und „Kuru-kuru“ gurrten die Tauben. Zunächst kamen sie nicht näher (Ich denke, sie hatten Angst vor dem Rollstuhl). Aber als ich ihnen etwas Vogelfutter entgegenhielt, kamen sie her und setzten sich auf meine Schultern, meine Armen und meinen Kopf. Es fiel mir auf, dass Tauben und die Menschen, welche die Bombe haben fallen lassen, sehr berechenbare Typen waren.
Ich ging vor ein paar Minuten durch das Friedensdenkmal-Museum. Hier drinnen war es dunkel. Nur die Ausstellungsstücke sind hell beleuchtet, so dass eine seltsame und schwere Atmosphäre entsteht. Es gibt eine Darstellung auf einem Bildschirm, die den Zeitpunkt der Bombardierung zeigt. Eine Mutter und ein Kind in abgenutzten Kleidern flüchteten Hand in Hand vor etwas. Alles um sie herum war rot und umgeben von Feuer. Es war dieselbe Farbe wie das Blutplasma, welches heraustrat, als ich hingefallen bin und mich geschnitten hatte.
„Es ist widerlich!“, murmelte Okaasan hinter mir. Sie neigte ihr Gesicht zur Seite und sagte „Ich sollte das nicht sagen, oder? Ich sollte 'Sie tun mir leid' sagen, weil sie das nicht wollten.“
Ich dachte nicht, dass es widerlich wäre. Das war nicht alles über die Bombardierung. Das war nicht alles über den Krieg. Ein einfaches Kind wie ich, das nichts über den Krieg wusste, gab vor, so mutig zu sein.
Auf dem Bildschirm waren gefaltete Kraniche von Sadako, welche an der A-Bombenkrankheit verstarb. Sie waren aus einem roten, transparenten Wachspapier gemacht.
Ich möchte nicht sterben! Ich möchte leben!
Ich fühlte, als könnte ich Sadako‘s Weinen hören. Aber was für eine Krankheit ist die A-Bombenkrankheit? Es gibt Menschen, die auch nach 35 Jahren noch daran leiden. Also ist es eine ererbbare Krankheit? Ich fragte Okaasan, aber sie wusste es nicht so genau.
Es gab ein ausgestopftes Pferd mit Narben, durch Hitzeeinwirkung verbrannte Dachziegel, schlaff geschmolzene 1,8 Liter Sake Flaschen, etwas verbrannter, schwarzer Reis in einer Aluminium Lunchbox, abgetragene Kleidung, die Menschen während des Krieges trugen, etc.
Die Realität all dieser Dinge übt einen erbarmungslosen Druck auf einen aus. Wir haben den Krieg nicht erlebt. Aber wir können uns nicht abwenden und vortäuschen nichts darüber zu wissen. Ob wir es wollen oder nicht, wir müssen zugeben, dass viele Menschen während der Bombardierung in Hiroshima, Japan, starben. Ich denke, die beste Erinnerung für diejenigen, die starben, ist es zu versprechen, dass wir solch ein Drama nie wieder passieren lassen.
Nach einer Weile bemerkte ich, dass ein paar Grundschüler aus Hiroshima im Museum waren. Sie sahen sich die Ausstellungsstücke und mich im Rollstuhl mit dem gleichen Blicken an, als ob sie etwas Schreckliches sehen würden. Ich dachte, ich sollte mich nicht um die Augen Anderer kümmern.
„Vielleicht sind sie keine Rollstühle und Rollstuhlfahrer gewohnt.“
Mit diesem Gedanken konnte ich mich auf die Ausstellung konzentrieren. Suzuki-Sensei rief nach uns und wir gingen die Treppe hinab. Ich fühlte mich froh darüber den unbequemen Augen und der schweren Atmosphäre zu entkommen.
Draußen hatte es angefangen zu nieseln. Okaasan versuchte einen Regenmantel um mich zu legen während ich in meinem Rollstuhl saß. Ich versuchte sie aufzuhalten und sagte „Das ist uncool“. Aber niemand sonst sagte etwas, also tat ich widerwillig das, was sie sagte. Sie legte auch ein Handtuch über meinen Kopf.
Das frische Laub im Garten war schön. Die Bäume waren vom Regen ganz nass. Sie schienen unter dem wolkenbedeckten Himmel. Die frischen, gelb-grünen Blätter der Campher Bäume sahen wunderschön aus, im Gegensatz zu ihren schwarzen Stämmen. Ich wollte sie zeichnen.
Wir liefen tiefer in das Grün hinein und kamen zur Friedensglocke. Das abgerundete Dach wurde von vier Säulen gestützt, welche das Universum darstellten. Die sterbenden, im Teich zurückgebliebenen Lotusblätter, welche die Glocke umgaben, schienen auch eine Geschichte zu besitzen.
„Jeder, der die Glocke läuten möchte, kommt hier her“, sagte einer der Lehrer.
Ich sah hinüber. Terada-san und Kasuya-kun läuteten sie.
DONG... DONG...
Das Geräusch mit einem bleibenden Schall verschwand in der Entfernung.
„Ich höre dem Geräusch dieser Glocke zu und wünsche mir 'Frieden', so dass ich tun sollte was auch immer ich kann, selbst wenn ich nicht die Glocke läuten werde.“
Daran denkend schloss ich meine Augen und betete.
Wegen des Regens hatte das Wasser im Oota Fluss die Farbe von Erde. Nachdem die Bombe fallen gelassen wurde, war er mit verletzten Menschen erfüllt. Sie weinten „Es ist so heiß, so heiß!“ Es war erschreckender mit dieses Szenario vorzustellen die Ausstellungsstücke im Museum anzusehen.
Die Tauben kamen und setzten sich, eine nach der anderen, auf meine Schultern und Arme. Ihre Füße waren weich und warm. Sie versammelten sich um mich herum, pickten das Futter, welches ich festhielt. Es gab viele von ihnen. Es sind wilde Tauben, also sind sie nicht besonders hübsch. Ich fand eine mit schlechten Beinen. Sie lief, obwohl sie eingeschränkt war. Ich versuchte verbissen nur die Behinderte zu füttern. Aber ich konnte es nicht besonders gut. Es waren so viele Tauben im Park, so dass ich beschloss, dass es nur natürlich wäre, dass ein oder zwei behindert waren.
Wenn eine ernsthaft behindert wäre und nicht laufen könnte, wie ich, vielleicht könnte sie nicht leben. Es kam mit in den Sinn, dass ich dankbar dafür sein sollte, als Mensch geboren worden zu sein und deswegen leben kann.
Wünsche ich mir 'Frieden', weil ich ein Mensch bin, der nur in einer 'friedlichen' Welt überleben kann? Das ist ein eher beschämender Wunsch.
Nach einer Weile fühlte ich, dass ich auch den anderen Tauben ein Stück Vogelfutter geben wollte, nicht nur derjenigen mit den schlechten Beinen. Als ich die Tauben mit ihren schwankenden Schritten sah, wie sie das Futter aufpickten, dachte ich über den Sinn von 'Fürsorge' nach, den wir in unserer menschlichen Welt haben.

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