Mittwoch, 8. Juni 2011

19 Jahre alt - Grausame Worte

Zu guter Letzt wurde ich ‚überwiesen‘.
Okaasan und ich gingen für eine Untersuchung ins Krankenhaus. Ich fiel in der Toilette fast nieder und Okaasan stützte mich. Ich hielt mich verzweifelt an ihr fest.
Neben mir flüsterte eine Frau in ihren Dreißigern mit roter, karogemusterter Kleidung zu ihrem kleinen Jungen „Wenn du nicht brav bist, wirst du so wie sie.“
Ihr Kommentar machte mich sehr traurig und ich fühlte mich miserabel. Okaasan munterte mich auf, in dem sie sagte „Nun, wenn sie ihr Kind aufzieht, so dabei redet und sie dann älter ist und selbst Probleme mit ihrem Körper hat, wird sie vielleicht merken, dass es falsch war und die Tatsache, dass sie keine gute Mutter war, kommt zurück und sucht sie heim.“
Ich schätze, mir wird diese Art von Vorfall in Zukunft öfter passieren. Wenn junge Kinder jemand begegnen, der sich von ihnen unterscheidet, sind sie interessiert und fangen an zu starren. Da kann man nichts machen. Aber es war das erste Mal, dass ich von einem Erwachsenen als Rohstoff für Kindererziehung gehandelt wurde. Das war mir gegenüber gemein.

Meiner Familie fiel auf, dass ich mich während des Tages einsam fühlen musste, wenn ich ganz alleine war. Also besorgten sie eine Katze für mich. Sie wurde mir gegenüber schnell anhänglich. Sie kommt in meinen Futon oder mit mir unter den kotatsu. Und sie sitzt auf meinen Knien. Sie ist sehr niedlich.
Wenn Rika sie hält, umarmt sie sie fest; die Katze mag das nicht und versucht frei zu kommen. Dann greift Rika nach ihrem Schwanz und versucht sie auf ihre eigenen Knie zu ziehen, ganz gleich wie anstrengend das auch ist. Die Katze verweigert immer mehr und mehr. Dann wird Rika sauer. Letztendlich schlägt sie sie. Ich schimpfe Rika aus, sage ihr dass sie die Katze nicht schlagen soll. Rika starrt mich wütend an und fängt dann an mich zu schlagen.
„Untersteh dich!“, sage ich und tue so als wäre ich böse.
Rika verspottet mich und sagt „Aya ist wütend! Aya ist wütend!“
„Wenn du meinst“
Ich erzählte es Okaasan.
Ich bin 19 Jahre und 5 Monate alt. Rika ist 5 Jahre und 7 Monate alt.

Ich lebe das Leben einer alten Frau: keine Jugend; keine Kraft, um zu leben; nichts zum Leben; keine Ziele, an denen ich arbeiten kann... Alles was ich habe ist mein zu Grunde gehender Körper. Warum muss ich am Leben sein? Auf der anderen Seite möchte ich leben. Die einzigen Dinge, die ich genieße sind Essen, Lesen und Schreiben. Ich frage mich, woran sich andere 19jährige erfreuen...?
Als ich meine letzte medizinische Untersuchung hatte, wurde mir gesagt, dass ich nach Neujahr wieder ins Krankenhaus gehen würde. Ich habe Angst, weil sich mein Zustand verschlechtert und es kein Zeichen der Heilung gibt. Wenn ich darüber nachdenke, kann ich nicht anders als zu weinen. Mich durch Dunkelheit kämpfen... Ist das mein Leben? Verdammt! Meinen Missachtung zeigend, sagend „Was ist falsch daran 19 Jahre alt zu sein?“ oder „Was ist falsch daran 20 Jahre alt zu sein?“ wird zu nichts führen.
Wenn ich weine, deprimiert es alle. Wenn ich weine, bekomme ich eine verstopfte Nase und Kopfschmerzen und ich fühle mich müde. Also warum weine ich? Ich habe nichts zu beenden – weder einen Job, noch ein Hobby. Nicht dazu in der Lage zu sein, irgendjemanden zu lieben oder auf eigenen Füßen zu stehen... Ich jammere.
Ich sehe in mein tränengefülltes Gesicht im Spiegel.
Aya, warum weinst du?

Ich hatte heute Instantramen zum Mittagessen – bekannt unter den Slogan 'Fügen Sie nur heißes Wasser hinzu und in drei Minuten ist es fertig'. Weil ich die Suppe nicht gut schlürfen kann, verschlucke ich mich leicht. Weißt du, es ist sehr schmerzhaft. Falls ich mich verschlucke und nicht atmen kann, wenn niemand da ist, könnte es verhängnisvoll sein.

Chika-chan, mein Senior der Internatsschule, hat Polio. Sie geifert viel, aber sie konnte Tee aus einer Teetasse trinken. Ikeguchi-kun benutzte einen Strohhalm. Warum kann ich nicht trinken ohne zu tropfen? Vielleicht liegt es daran, weil die Muskeln, die ich benutze um zu schlucken schwächer geworden sind. Heute konzentrierte ich mich auf meinen Mund. Als ob ich Sake von einer kleinen Schale trank, versuchte ich Schluck für Schluck zu schlürfen. Ich verschluckte mich nicht, was mich freute.
Es gibt eine andere Sache, warum ich glücklich bin. Bis jetzt konnte ich etwas nicht tun, was für die meisten Menschen eine ganz natürlich Sache ist. Es ist peinlich, es zu schreiben, aber weil ich oft nicht rechtzeitig zur Toilette kam, hatte ich immer meine Unterwäsche wechseln müssen. Ich verstand die Ursache für das Problem: Ich fange an, mich zu bewegen, nachdem das Bedürfnis der Natur rief, aber ich konnte mich nicht schnell genug bewegen. Also entschied ich mich, dass ich regelmäßig zu festen Zeiten auf die Toilette gehen sollte. Und es klappte – jetzt kann ich es ohne Missgeschicke bewältigen! Ich bin so glücklich, dass ich es jemanden erzählen möchte. Aber es ist nicht die Art von Sache, die man jeden erzählen kann, deshalb genieße ich still meinen Erfolg.

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