Dienstag, 7. Juni 2011

19 Jahre alt - Später Herbst

Plötzlich bemerkte ich dass die Zikaden aufhörten zu singen. Sie haben den Taktstock an die Glockengrillen übergeben. Es wird frisch, am Morgen als auch am Abend. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich sowohl meiner Ausdauer als auch meiner Energie verschlechtert.
Ist es für mich in Ordnung am Leben zu bleiben?
Wenn du sterben würdest, würdest du nichts hinterlassen.
Liebe – was für eine traurige Person ich doch bin, auf so etwas angewiesen zu sein!
Okaasan, ist es wirklich für eine schlimme Person wie mich in Ordnung in dieser Welt zu leben? Okaasan, ich bin mir sicher, dass du etwas in mir findest, was hell erstrahlt. Unterrichte mich. Führe mich.

        Auf die Schilfrohre blickend,
       welche im Garten blühen,
       Ich vermisse dich


Früh an diesem Morgen, wurde ich vom Kläffen der Welpen geweckt, die miteinander spielten. Das frühe Morgenlicht strömte durch das Fenster. Auf meinen Futon liegend, sah ich ihnen eine Weile lang zu. Sie sind wirklich schnell groß geworden. Bis vor kurzem konnten sie nur Kläffen, aber nun können sie schon Knurren, wie ein erwachsener Hund. Das könnte auch über mich gesagt werden...
Ich lächelte bitter, als ich so dachte.

Ich möchte zu einem Floristen gehen und eine rosafarbende Rose kaufen.
Ich möchte zu einer Kuchenbäckerei gehen; Ich werde mich, während ich durch das Fenster sehe, entscheiden, ob ich einen Windbeutel oder einen Shortcake haben möchte.
Ich möchte zu einem Schnapsladen gehen. Ich werde zu dem stämmigen Mann im mittlerem Alter mit dem roten Gesicht fragen „Kann ich eine Flasche Akadama Honigwein haben?“ Ich möchte sie meinem Bruder schenken.“

Mein Wunsch wurde wahr: Mir wurde eine Ausgabe von Totto-chan von Kuroyanagi Tetsuko geschenkt. Aber ich verschob meine Freude darauf auf später und fing mit meiner kimekomi Arbeit an. Ich muss die Kimonostoffe in verschiedene Stücke derselben Größe schneiden. Dann klebe ich sie mit etwas Klebstoff auf einen runden Holz ball. Ich bin nicht gut im Umgang mit einer Schere und es ist ebenso schwierig für mich, die Stoffe mit Nadeln zu befestigen, also mache ich nur langsame Fortschritte. Ich bin beim Stoffeschneiden so ernsthaft, weil ich nicht dazu in der Lage sein werde, es richtig fertig zu stellen, habe ich die falschen Maße.

 Als ich dabei war nachts einzuschlafen, hörte ich, dass an der Tür geklopft wurde (Ich erinnerte mich an eine Szene wie diese aus einem Buch von Hoshi Shinichi). Als ich sagte „Herein!“, öffnete sich die Tür leise und herein kam ein junges, kleines Mädchen... Ja, es war Rika.
„Aya, ich habe etwas, was ich sagen möchte“, sagte sie in einer ungewöhnlichen ernsten Art, „Morgen gehe ich zum Kindergarten. Ich werde nicht zu Hause sein, also musst du ein braves Mädchen sein, ja? Fall nicht hin. Wir spielen zusammen, wenn ich nach Hause komme, in Ordnung?“
Das brachte mich weinen.

 Ich denke, man verarbeitet innerlich die Zuneigung der Mutter und wandelt sie in Liebe gegenüber anderen Menschen um.
Als ich den Vögeln Erdnüsse gab, aßen sie sie freudig. Aber sobald ich das Drahtnetz über den Eingang öffnete, um ihren Käfig sauber zu machen, flogen die Vögel plötzlich weg und verschwanden. Sie konnten nur so einfach davon fliegen, weil sie nicht wussten, dass sie in der Wildnis vielleicht nicht überleben können und es dort unheimliche Feinde gab. Bitte kommt zurück, wenn ihr das bemerkt habt...
Ich fühlte mich traurig und so schrieb ich einige Briefe an meine Lehrer und Freunde.
„Bitte kauf mir ein Ringbuch, ähnlich wie ein Skizzenblock“, bat ich Okaasan, „Ich fühle mich nicht danach, mein Tagebuch in ein normalgebundenes Notizbuch zu schreiben.“
„Was?“, antwortete sie, „Bist du nicht etwas egoistisch, wenn du sagst, dass du dein Tagebuch nur dann schreiben kannst, wenn dir danach ist? Es wäre vielleicht etwas anderes, wenn deine Kondition schlecht wäre, aber im Moment solltest du denken, dass du so oder so etwas schreiben musst.“
Ich lernte wieder etwas von Okaasan Lebensweise. Sie hatte recht. Würde sie sagen „Ich bin nicht in Stimmung etwas zum Abendessen zu kochen“, würde ich verhungern.

 Rika besuchte mich, als mich ausruhte – ich ruhte mich auf Grund einer Erkältung aus. Sie saß neben meinem Kopfkissen und begann mit einem Filzstift ein Bild mit Hasen auf dem Kopfkissenbezug zu malen – ein großer Hase und ein kleiner Hase nebeneinander stehend. Sie malte auch drei oder vier Kreise zwischen ihnen. Ich glaube, sie wollte damit Blumen darstellen.
„Aya“, sagte sie, „Ich dachte, dass du vielleicht einsam bist, weil du in der Nacht alleine schlafen musst. Also mach sie bitte zu deinen Freunden.“
Ihre Zärtlichkeit brachte mich wieder zum Weinen.

Ich las einen Artikel in der heutigen Morgenzeitung über eine behinderte Person in einem elektrischen Rollstuhl, die zwanzig Jahre lang einen Fernkurs belegt hatte, so dass er eine Qualifikation vom Uhrenmacher erhielt.
Ich entwickle nichts. Mein Körper ist im emotionalen Wachstum gestoppt.
Ich frage mich, ob es irgendeine Arbeit gibt, den ich tun könnte? (Mein Bruder sagt, dass es keine gibt und ich stimme ihm fast zu.) Aber ich denke nicht, dass alles unmöglich ist.
Alles was ich jetzt tun kann, ist Schreiben und kimekomi Arbeit betreiben. Selbst wenn ich keine Arbeit haben kann, kann ich Okaasan zumindest ein wenig helfen, in dem ich den Boden wische, die Wäsche zusammenlege, etc.

Heute hatte ich vor ein paar kimekomi Bälle mehr zu machen, aber stattdessen spielte ich mit meiner Schwester. Währenddessen säuberte Okaasan mein Zimmer.
„Die dreckigen Dinge so zu lassen wie sie sind, ist das, was Tiere tun“, sagte sie.
Ich schätzte es sehr, was sie tat. All die Haare, die im Teppich steckten (auf den Tatamimatten) waren auf wundersame Weise verschwunden. Aber es ist etwas zu sauber geworden – Ich konnte mich nicht entspannen.
Ich wollte wissen, wie sich Okaasan fühlte, als sie mein Zimmer säuberte. Sie muss die Hälfte ihres Tages damit verbringen, nach ihrem lästigen Kind zu sehen...

„Arme Aya“, sagte Ako.
„Was ist Spaß für dich, Ako?“, fragte ich.
„Was ist Spaß für dich, Aya?“, erwiderte sie.
„Nichts“, antwortete ich.
„Arme Aya!“, sagte sie.

 Heute habe ich im Halbgeschoss trainierte. Ich trainierte den Schaukelstuhl mit beiden Händen festzuhalten und wieder loszulassen. Ich war nicht sehr beständig und ich konnte nur für fünf Minuten stehen, aber das zeigte, wie sehr ich es versuche. Warum aber kann ich es noch nicht besser?
Mein Bruder sagte auch „Arme Aya!“ Es war schon dunkel draußen und der helle Fernsehbildschirm reflektierte sich trüb weiß auf seinem Gesicht.

              Ich möchte irgendwohin weit fort gehen.
              Ich will nicht mehr eingeengt sein.
              Ich fühle so viel Druck.
              Ich kann nicht nach draußen gehen, weil es draußen kalt ist.
              Ich denke weiterhin über den Tod nach, also habe ich Angst.
              Ich kann mich nicht bewegen... ich wurde besiegt.
              Ich möchte leben!
              Ich kann mich nicht bewegen, ich kann kein Geld verdienen, 

              ich kann nichts Sinnvolles für andere Menschen tun.
             Aber ich möchte leben.
              Ich möchte verstanden werden...


Rika schmierte etwas Marmelade dick auf eine Scheibe Brot. Es tröpfelte auf den Boden, während sie es aß. „Was für eine Verschwendung!“, dachte ich. Aber Okaasan wischte die Marmelade nur mit einem „Schade!“ auf. Wo kommt der Unterschied der Einstellung her?
Als ich daran scheiterte vom Stuhl aufzustehen, zerquetschte ich die Orange in meiner Tasche. Mich wie Okaasan fühlend, konnte ich  „Schade!“ denken.

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