Sonntag, 12. Juni 2011

19 Jahre alt - „Okaasan, ich kann nicht mehr laufen.“

Ein Baby sitzt, wenn es etwa acht Monate alt ist. Es krabbelt, wenn es zehn Monate alt ist. Und läuft, wenn es über ein Jahr alt ist. Ich war das Laufen gewohnt, ging dann wieder ins Krabbeln über und jetzt sitze ich die meiste Zeit über! Ich verwahrlose. Und ich denke eines Tages, werde ich bettlägerig sein...

Ist es nur eine Frage meiner Geduld? Vor einem Jahr konnte ich stehen, sprechen und lachen. Jetzt kann ich nicht mehr gehen, so sehr ich es auch versuche, so sehr ich meine Zähne zusammenbeiße und versuche, es mit Stirnrunzeln auszuhalten.
„Okaasan, ich kann nicht mehr laufen.“, schrieb ich auf ein Blatt Papier und hielt meine Tränen zurück, „Ich kann nicht einmal stehen, selbst wenn ich mich an etwas festhalte.“
Ich öffnete die Tür etwas und gab es ihr. Ich schloss die Tür schnell wieder, weil ich nicht wollte dass sie mein Gesicht sah und ich wusste es wäre schmerzhaft Okaasan’s Gesicht zu sehen.
Ich krabbelte drei Meter zur Toilette. Der Boden des Ganges war kühl. Meine Fußsohlen sind weich wie die Innenfläche einer Hand. Aber meine Handinnenflächen und Knie sind hart wie eine normale Fußsohle. Krabbeln ist keine gute Sache, aber da kann man nichts machen. Es ist die einzige Art, auf die ich mich fortbewegen kann...
Ich fühlte jemanden hinter mir. Ich hielt an und sah zurück... Da war Okaasan, hinter mir krabbelnd ohne etwas zu sagen... Ihre Tränen fielen zu Boden... All meine unterdrückten Gefühle brachen plötzlich heraus und ich begann zu weinen.
Okaasan hielt mich fest und ließ mich weinen, wie ich es wollte. Ihre Knie waren feucht von meinen Tränen und ihre Tränen nässten mein Haar.
„Aya, wir sind traurig, aber wir müssen weitermachen, okay? Ich bin bei dir. Jetzt lass uns zurück in dein Zimmer gehen, bevor dein Gesäß kalt wird. Ich bin stark genug um dich auf meinem Rücken zu tragen. Selbst wenn wir ein Erdbeben oder ein Feuer erleben, werde ich dir zuerst helfen. Sorge dich nicht und schlafe ruhig. Es ist nicht nötig über unwichtige Dinge nachzudenken.“
Dann brachte sie mich in ihren Armen zurück in mein Zimmer.

Ich bin eine Person geworden, die nichts anderes kann außer zu weinen und zu jammern. Ein Teil eines Minderwertigkeitskomplexes wächst in meinem Gehirn. Ich denke, es ist ein Produkt der Behinderung. Aber ich lebe immer noch. Ich kann weiter atmen, um zu leben – weil ich nicht sterben kann und nichts für mich getan werden kann. Das ist eine schreckliche Art, es zu sagen. Wenn ich weine, bekomme ich Falten in meinen Augenbrauen und mein Gesicht wird hässlich. Um meinen Gesichtsausdruck zu verbessern, wenn ich in den Spiegel sehe, versuche ich zu grinsen, selbst wenn es nichts Lustiges gibt.

   Lass uns leben

   Ich möchte den blauen Himmel mit meiner ganzen Kraft inhalieren;

   Eine erholsame, kühle, coole Brise wird meine Wangen sanft liebkosen.
   Vereinzelte, weiße Wolken spiegeln sich in deinen klaren Kristallaugen wieder.
   Ich habe von einem wundervollen Augenblick geträumt...

   Ich möchte dem blauen Himmel mit all meiner Kraft entgegenspringen;
   Eine Robe aus kobaltblauen Federn wird mich sanft umhüllen.
   Ohne daran zu denken, dass ich hässlich bin,
   aufrichtig daran glaubend, dass ich vielleicht irgendwo nützlich sei.

   Wo denkst du, soll ich hingehen?
   Immer für mich weinend,
   Mein Notizbuch ist mein Freund;
   Antworten kann es mir nicht geben,
   Aber meine Stimmung ist gehoben, wenn ich schreibe.

   Ich bitte um eine helfende Hand,
   Aber ich kann weder die Hand ausstrecken, noch sie berühren;
   Meine Stimme schallt wieder, kläffend in der Dunkelheit.
   Die Evolution vom Affen zum Menschen brauchte unglaublich lang,
   Aber die Degeneration geschieht so schnell...


Ich mag es nicht, während des Tages allein zu sein. Aus Angst dass ich vielleicht nicht länger sprechen kann, lese ich laut Bilderbücher vor und mache Stimmübungen. Heute atmete ich fünfmal tief durch und streckte meinen Hals zehnmal.
Okaasan sagte, dass ich nicht zu viel trainieren sollte, wenn ich alleine bin. Sie denkt, es ist gefährlich. Sie ist immer besorgt bis sie nach Hause kommt und mich sieht. Obwohl diese Worte mein Leben noch passiver machen, kann ich ihre Begründung verstehe, weil ich hinfalle – meine Lippen schwellen an und ich breche mir meine Zähne ab.

Darüber besorgt, dass ich alleine bin, kommen Jun-chan und ihre Mutter manchmal vorbei, um nach mir zu sehen. Die Frau mittleren Alters von nebenan kommt ebenso hier her, um zu sehen, was passiert. Aber mein Herz ist nicht zufrieden. Es ist sehr schwer jeden Tag ohne Ziel zu leben. Ich kann nur über Kleinigkeiten in meinem Kopf nachdenken, aber ich kann nichts tun. Wie lange wird dieses Leben weitergehen? … Okaasan, ich habe Schmerzen. Bitte hilf mir...

Jetzt ist es selbst für mich zu gefährlich alleine ein Bad zu nehmen. Okaasan oder Ako kommen mit mir mit, dabei in Shorts gekleidet. Ako wäscht meine Haare und meinen Rücken. Ich kann meinen rechten Arm nicht mehr heben. Es scheint, dass sich meine Schultergelenke weiter versteift haben.

Nachricht an Yamamoto-Sensei
Sie sagten „Schätze lieber das, was geblieben ist als das, was verging.“
Das Licht wird eines Tages scheinen und die grünen Knospen werden sich hervortun...
Hab Hoffnung, sie in der Zukunft entgegen und steh auf, mach weiter, gib nicht auf...
Das sind die Stichworte!
„Nichts wird zurückkommen, selbst wenn du darum trauerst“, sagte die Ärztin, der ich vertraue, „Entwickle umso mehr das, was geblieben ist als das, was verloren ist.“
Ich werde versuchen weiter zu gehen.
Ich schwöre, dass ich nicht deprimiert sein werde...
Es fing an zu regnen.
Ich beneide die wechselnde Natur des Wetters...
Aber Menschen können nicht so wechselnd leben, stimmt’s?

-  Die Inhalte sind verantwortungslos
- Mein Verstand ist schlampig
- Meine Schrift ist zittrig
Nichts ist gut, du Idiot!

Also was denken Sie, bleibt mir übrig?

Ich hatte einen Traum, dass meine Familie einen Ausflug zu einem Ort machte, den man nicht mit einem Rollstuhl betreten konnte.
„Habt eine schöne Zeit“, konnte ich mit einem Lächeln sagen, „Ich werde hier zu Hause auf euch warten.“
Ich denke Dinge wie diese werden öfter vorkommen. Ich möchte dafür bereit sein, wenn sie Realität werden.

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